Der Brand der Rütt-Arena

Das Wetterpech wird sprichwörtlich

 Die Rütt-Arena erlebte glänzende Veranstaltungen bei schönem Wetter und ausverkauftem Haus. Sehr häufig aber regnete es und die Rennen fanden vor leeren Rängen statt oder fielen ganz aus. Walter Rütt musste den teuren ausländischen Fahrern trotzdem die Spesen zahlen und verlegte die Rennen aus Angst vor erneuten Kosten auf zwei oder drei Tage. Weitere Aufenthaltspesen waren fällig, die Rennen verregneten wieder und so gab es neben schönen Überschüssen auch gewaltige Defizite.

Der erste Renntag der Saison ist ausverkauft.

Eine typische Meldung in der "Neuköllnische Zeitung" vom 1. Juni 1930 lautete: "Als gestern die Rennen auf der Rütt-Arena beginnen sollten, rauschte ein Gewitterregen hernieder, der die Holzbahn völlig unter Wasser setzte; etwas später gab es einen neuen Guss und vernichtete alle Hoffnungen, dass das Rennen vielleicht mit Verspätung doch noch stattfinden könne. Die Rennen sollen nunmehr heute, 20:15 Uhr, vor sich gehen. Zum Austrag gelangen bekanntlich der 5. Lauf zur Deutschen Fliegermeisterschaft sowie ein 50-Kilometer Mannschaftsrennen. Die gelösten Karten behalten Gültigkeit."

Karikatur Die Rennen nahmen einen Regen-Verlauf.

Im Juli 1930 spitzte sich die Situation der Radrennbahn zu. Walter Rütt selbst fungierte nur noch als sportlicher Leiter, alle anderen Befugnisse waren ihm von seinen Geschäftspartnern entzogen worden. Die letzten Ersparnisse waren aufgezehrt, das kleine Landhaus in Lankwitz hatte er verpfändet.

Frank Mihlon weigerte sich bereits seit längerer Zeit, weitere Geldmittel zur Verfügung zu stellen, insgesamt hatte er mehr als 150.000 Mark in das Unternehmen gesteckt und dieses Geld bereits abgeschrieben. Dir. Koplowitz, inzwischen für den kaufmännischen Bereich zuständig, hatte ebenfalls riesige Summen aus eigener Tasche investiert und wollte kein weiteres Risiko eingehen.

An Renntagen standen die Gläubiger im Büro der Rütt-Arena Schlange, um ihre Forderungen geltend zu machen. Eine Reihe von deutschen Fahrern, die Stammgäste auf der Anlage waren, erklärten sich bereit, mit ihren Gagen zu haften, damit überhaupt weiterhin Rennen ausgetragen werden konnten. Von den Einnahmen sollten zunächst die laufenden Kosten für Reklame, Musik, Kontrolleure, Steuern und die Gagen der Ausländer bezahlt werden. Ein eventueller Überschuss fiel der Rütt-Arena zur Abdeckung aller Verbindlichkeiten zu.

 

"Man konnte stets zu ihm kommen,
immer half er,
er war uns ein richtiger Vater."

Wilhelm Bronkow, Trainingsschüler, 1957

 

Die Rütt-Arena brennt!

Am Sonntag, dem 3. Mai 1931, der Himmel zeigte sich strahlend blau –schließlich war ja kein Renntag-  brach in einem Abstellraum unter der Kurventribüne ein Feuer aus, das sich in Windeseile über die ganze Anlage ausbreitete. Die angerückte Feuerwehr musste von weither Wasser heranschaffen, ihre Bemühungen waren letztlich vergeblich, es blieben nur rauchende Trümmer zurück.

Die enorme Hitzeentwicklung hatte sämtliche Fensterscheiben eines alten Eisenbahnwaggons, den Walter Rütt als Salon nutzte, zerbersten lassen. Zerstört wurde im Feuer auch das Rennmaterial mehrerer Berufsfahrer sowie das beste Tandem Deutschlands, ein "Panther- Zweisitzer", Baujahr 1906, ein Relikt aus den glorreichen Jahren des Weltmeisters. Hart erwischte es den Betreiber des Bahnrestaurants, er verlor sein gesamtes Hab und Gut. In der folgenden Nacht suchten Plünderer die Brandstelle heim und stahlen Bänke aus dem Innenraum sowie Konserven aus dem Keller.

Walter Rütt, der bei der Brandbekämpfung gegen eine Umzäunung gerannt war und sich dabei erheblich im Gesicht verletzte, erlebte hier die schwärzesten Stunden seines Lebens. Das Werk, an dem er mit ganzer Seele hing, war zerstört und er damit finanziell ruiniert. Zu allem Übel hatte nämlich die Versicherung wegen des zu großen Risikos gekündigt, da während eines kurzen Zeitraums bereits fünf andere Holzbahnen abgebrannt waren.

Die Ursache des Feuers konnte nie sicher geklärt werden, am wahrscheinlichsten gilt folgende Mutmaßung.

Am Morgen des Unglückstages trainierten Beamte der Berliner Polizei ihre Schäferhunde auf dem Gelände der Radrennbahn. Dabei wurden auch Schüsse abgegeben, um die Hunde daran zu gewöhnen. Später hängte man die schweren Mäntel, die die Beamten getragen hatten, in den Abstellraum unter der Bahn. In einer Manteltasche steckte eine Pistole, deren heißer Lauf den Mantel entzündet haben soll.

Eine Schilderung des Brandes aus der Sicht von Walter Rütt finden Sie hier.

Titelfoto


Fotocollage auf dem Titelblatt
"Illustrierter Radrennsport"

 Velodrom Hasenheide

Einige Wochen nach dem Brand der Rütt-Arena gab es in der Berliner Presse Meldungen über einen möglichen Wiederaufbau der Anlage. Als Initiator dieser Aktion wurde der Radrennfahrer Lothar Ehmer genannt und als Leiter sollte der Berliner Max Münzner fungieren, der bereits Rennen im Sportpalast durchgeführt hatte. Angeblich seien Verhandlungen mit dem ehemaligen Geschäftsführer der Rütt-Arena, Dir. Koplowitz im Gange und die Wilmersdorfer Baugesellschaft (ehemals Elbe&Ludwig) sei um einen Kostenvoranschlag gebeten worden.

Die noch intakte Tribüne der Gegengerade solle nunmehr als Haupttribüne fungieren und die bisherige Bahnlänge von 250 Metern erhalten bleiben. Als neuer Name der Radrennbahn war "Velodrom Hasenheide" im Gespräch. Leider verliefen alle Bemühungen im Sande. 

Der Berliner Radsportnachwuchs wird eingewiesen.


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